Trauma-Institut-Leipzig Institutstag 2020

Teil 1 für Absolventen / Mitglieder des TIL - Geschlossene Veranstaltung

Datum: 24.05.2020

Preis: 5,00 €

mit Beiträgen von:

Dr. Mario Ebest
"Der zerstörerische Umgang der DDR mit einem unbequemen Schriftsteller"

Siegfried Pitschmann, ein intellektueller Schriftsteller in der DDR mit proletarischer Herkunft, arbeitete 1959 an dem Roman Erziehung eines Helden. Aufgrund der eher düsteren und wenig optimistischen Schilderungen des Alltags auf der sozialistischen Großbaustelle „Schwarze Pumpe“ und wegen seines angeblich zu westlichen Schreibstils (hard-boiled style), konnte der Roman allerdings in der DDR nicht erscheinen. Er war zu wenig kompatibel mit den Wunschvorstellungen der DDR-Eliten, die diese bezüglich der Werke von Autoren des Bitterfelder Weges hegten und durchzusetzen suchten (vgl. Mythos der Baustelle als von sozialistischen Helden gesteuerter, optimistischer und nachhaltiger Aufbauprozess). Die Ablehnung seines Romans durch den DDR-Schriftstellerverband und DDR-Medien muss für Pitschmann traumatisierende Folgen gehabt haben, denn er hatte ursprünglich sehr große Hoffnungen in dieses Werk gesetzt. Es sollte ihn als Schriftsteller endlich in der Literaturszene der DDR etablieren. Stattdessen folge nun ein „schreckliches Abschlachten, ein Strafgericht“, wie Pitschmann es selbst beschrieb. Der Autor ist an der aggressiven Entwertung seines Werkes schließlich beinahe zerbrochen (Identitätskrise, Selbstmordversuch).
Über eine Annäherung an die Biographie Pitschmanns (bspw. Flucht mit der Familie zu Beginn von 1945 aus Schlesien, Tod von Geschwistern) und an die Funktionsweise der Kulturpolitik der DDR (z.B. ideologischer Einfluss von Erwin Strittmatter als Vorsitzender des DDR-Schriftstellerverbandes) werden in dem Vortrag traumatisierende Zusammenhänge herausgearbeitet. Anhand von Interviewaussagen und Texten von Pitschmann und von Auszügen aus Verlautbarungen aus dem DDR-Kulturapparat der damaligen Zeit soll dabei dokumentiert werden, welche emotionalen Auswirkungen die heftige Kritik des DDR-Kulturbetriebes auf den Autor hatte, und wie er mit dieser umging. Die beobachtbare Traumatisierung Pitschmanns wird dabei im Vortrag mithilfe der 3er Typologie definiert, die im SPIM-30-Konzept zur Anwendung kommt (Ereignistrauma, Fahrlässige Traumatisierung, Vorsätzliche Traumatisierung; s. R. Vogt 2018, 202-4).


Dr. Mario Ebest - Anglist und Hochschullehrer. Studium in Glasgow und Leipzig. Dissertation zum Thema Literarische Verarbeitung des Traumas der Highland Clearances (veröffentlicht: 2016). Seit 2001 Lehrtätigkeit im Bereich Sprache sowie anglistische Literatur- und Kulturstudien. Vorträge auf wissenschaftlichen Konferenzen in Europa. Aufsatzveröffentlichungen. Aktuelle Forschung zu proletarischen Literaturen in der DDR und in Großbritannien.


DP Wiebke Bruns
„Wie Scham und Schuld das Ich auffressen“

Eine Frau kommt mit einer ausgeprägten Leistungsneurose und einer anhaltenden Bringeschuld ihrer Primärfamilie gegenüber in einem körperlich sehr angeschlagenen Zustand als geschickte Patientin in die Praxis. Mit Hilfe des SPIM-30-Konzepts gelingt eine therapeutische Anbindung mit ausreichend Bindungskonstanz. Es lässt sich eine frühkindliche Amnesie bis zum sechsten Lebensjahr erarbeiten, die die Biografie der Frau noch einmal ganz anders fundiert und in der Gegenwart ankommen lässt.
Anhand des Fallbeispieles wird gezeigt, wie stark Scham und Schuld das Ich unterdrücken (helfen). Körpertherapeutische und imaginative Techniken bewährten sich, tief verankerte Dissoziationen und Blockaden zu lösen. Ist das klassisch analytische Setting im Liegen ohne gegenseitigen Blickkontakt für viele TraumapatientInnen oft schwierig oder sogar unmöglich, ließ die Scham der Frau in weiten Teilen der Psychotherapie nur dieses Setting zu.

DP Wiebke Bruns - Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxisniederlassung für Erwachsene (Gruppen- und Einzelsetting) in Leipzig. Studium für Klinische Psychologie in Potsdam und Leipzig (DP), Ausbildungen in Tiefenpsychologisch-fundierter und analytischer Psychotherapie an der Köln-Bonner-Akademie, Fortbildung zur Traumapsychotherapeutin am Traumainstitut Leipzig, Körpertherapieausbildung in Stuttgart. SAFE-Mentorin München.

Literatur
Hochauf, R. (2017): Frühes Trauma und Strukturdefizit. Asanger.
Vogt, R. (2014): Verleumdung und Verrat. Asanger.


M.Sc. Psych. Jan Wolfrum
„Home, sweet home – Scham und Schuld Aspekte in der Arbeit mit forensischen Patienten“

Ziel des Vortrages ist es, Ihnen einen subjektiven Einblick in meine frühere Arbeit als Bezugstherapeut in der forensischen Klinik zu geben. Hervorgehoben werden dynamische Besonderheiten in der therapeutischen Beziehung zu diesem Patientenklientel sowie Scham und Schuld als wichtige Schlüsselelemente in der deliktspezifischen Arbeit.

Herr Jan Wolfrum ist M. Sc. Psychologe, Bezugstherapeut in der Tagesklinik Bitterfeld/ Wolfen und befindet sich in Ausbildung zum tiefenpsychologisch fundierten Psycho­therapeuten sowie in Weiterbildung zum Trauma­fach­berater/Trauma­thera­peut. Seit 2014 ist er Mitglied am Psycho­trauma­zentrum Leipzig e.V. und arbeitete im Jahr 2019 als Psychologe in einer forensischen Klinik.


Beatrix Zieglmeier
„Begegnung mit Scham und Schuld in der Selbsthilfegruppenarbeit mit Betroffenen von Traumatisierung und Traumafolgestörung“

Die Begegnung und Konfrontation mit Scham, Schuld und der Frage nach Verantwortung sowie das Agieren aus Bindungsunsicherheit heraus, erschweren die Beziehungsgestaltung in der Selbsthilfegruppenarbeit.
Die Teilnehmer haben das Bedürfnis nach sozialen Kontakten, Verständnis, Zugehörigkeit und Austausch und stehen oft dabei im Konflikt mit erlernten Strategien und zum Teil gelebten Täterbindungen außen wie innen. Häufig lösen diese Übertragungen und Gegenübertragungen aus, welche Bestandteil bzw. Ursache der Dynamik in den Gruppen sind, die zu Missverständnissen und Konflikten führen können. Das Agieren in Opfer- bzw. Täteranteilen ist oft mit Verkennung, Enttäuschung und Wut, auf Grund von Streben nach Abhängigkeiten sowie hohe Erwartungen an den Anderen, verbunden. Wie das Fallbeispiel zeigt, können diese zu Verleumdung und Verrat führen, um die Schuldfrage zu klären und den Anderen zu beschämen. Diese sensible Arbeit mit Betroffenen von Traumatisierung und Traumafolgestörung stellt eine besondere Herausforderungen in der Gruppenarbeit dar und macht eine wohlwollende Anleitung und klare schriftlichen Vereinbarungen in der Selbsthilfearbeit mit Betroffenen von Traumatisierung und Traumafolgestörung notwendig.

Beatrix Zieglmeier ist als Sozialarbeiter, Sozial- und Heilpädagoge vorwiegend im Bereich der Früh- und Elementarpädagogik sowie Integration und Frühförderung tätig. Zusammen mit ihrem Mann hat sie die Traumahilfe Leipzig gegründet und leitet nach eigenem Konzept, in Anlehnung an das SPIM-30 von Vogts, Traumaselbsthilfegruppen. Sie wird auf dem Kongress die Begegnung von Scham und Schuld in der Selbsthilfegruppenarbeit skizzieren und die Notwendigkeit von wohlwollender Anleitung, Abgrenzung zur Therapie und klare schriftlichen Vereinbarungen mit Betroffenen von Traumatisierung und Traumafolgestörung in der Selbsthilfearbeit anhand von Fallbeispielen erläutern.

Literaturangaben

Vogt, R. (Hrsg.2016). Täterbindung. Gruppentherapie und Soziale Neurobiologie. Kröning: Asanger.
Vogt, R. (2013) SPIM -30. Behandlungsmodell dissoziativer Psychotraumastörungen. Kröning: Asanger.
Vogt, R. (Hrsg.2012). Täterintrojekte. Diagnostik und behandlungsmodelle dissoziativer Strukturen. Kröning: Asanger
Sieland, B. / Heyse, H. (2010) Verhalten ändern-im Team geht´s besser. Die KESS-Methode: Arbeitsbuch. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Mattke, D./ Reddemann, L./Strauß, B. (2009) Keine Angst vor Gruppen!. Gruppenpsychotherapie in Praxis und Forschung. Stuttgart: Klett-Cotta.
Berg-Peer, J. (2016) Moderation von Selbsthilfegruppen. Ein Leitfaden. Köln:Psychatrie

Zeiten:

Einlass ab 9.00 Uhr

Beginn 9.25 Uhr
Ende ca. 12.00 Uhr

Kosten:
Geschlossene Veranstaltung
- für TIL-Absolventen/Mitglieder

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